Leitgedanken des Rektors

Universitätsleitung

Wissen schafft Zukunft

Das Jahr 2022 war geprägt von einem historischen Umbruch für ganz Europa. Erstmals seit den Balkankriegen herrscht in einem europäischen Land Krieg. Das betrifft uns alle, ganz konkret mit der Energiekrise, die für diesen Winter abgewendet werden konnte, aber auch im menschlichen und im philosophischen Sinn: Was als unvorstellbar galt, ist schockierende Realität geworden.

 

Von Prof. Dr. Christian Leumann, Rektor

Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat unvorstellbares Leid verursacht. In der Folge erreichte eine grosse Anzahl an studierwilligen Geflüchteten die Universität Bern. Dank des «Scholars at Risk»-Programms konnten wir zügig und relativ unkompliziert Gaststudierende und Dozierende aus der Ukraine aufnehmen. Da der Krieg andauerte, bauten wir im Sommer ein Integrationsjahr für geflüchtete Studierende auf, welches mit dem Start des Herbstsemesters begonnen hat. Eine Einführung in Lern- und Lehrmethoden und wissenschaftliches Arbeiten sowie eine Einführung in die verschiedenen Fachbereiche und die Erhöhung der deutschen Sprachkompetenz sind dessen Kernelemente. Dererfolgreiche Abschluss dieses Vorbereitungsjahrs berechtigt zum Eintritt in ein Bachelorstudium, und zwar überall dort, wo kein Numerus Clausus vorgegeben ist.

Im Krisenmodus von zwei Jahren Coronapandemie erprobt mussten wir uns im Jahr 2022 mit der Energiekrise befassen. Neben den Energiesparmassnahmen von Bund und Kanton, zu denen sich die Universität bekennt, haben wir auch eigene, interne Massnahmen definiert, um bei Energieausfällen die Auswirkungen auf die Funktion der Universität minimal zuhalten. Insbesondere sind dies Massnahmen zur Aufrechterhaltung der Forschungs- und IT-Infrastrukturen, welche für uns systemrelevant sind.

Wichtige Forschungsbereiche der Universität Bern widmen sich zunehmend den Zusammenhängen zwischen Klimawandel, extremen Wetterereignissen, Gesundheit und Ernährungssicherheit. Durch ihre acht Fakultäten und zehn interdisziplinären Forschungszentren leistet die Universität Bern weiterhin wichtige Beiträge zur Lösung dieser Problemfelder, welche sich durch globale Konfliktsituationen und Pandemien in den kommenden Jahren noch verschärfen könnten.

Die neue Strategie 2030 orientiert sich an der vorangegangenen Strategie und hat deren Grundelemente übernommen: Wir sind eine Volluniversität und setzen auf die fünf Themenschwerpunkte Nachhaltigkeit, Gesundheit und Medizin, Materie und Universum, Interkulturelles Wissen sowie Politik und Verwaltung. Als wichtige Neuerungen haben wir die Digitale Transformation und die Bausituation als Teilstrategien aufgenommen, da sie den zukünftigen Erfolg der Universität wesentlich bestimmen werden. Auch die Fakultäten arbeiten künftig eigene Strategien aus, die sich an der Dachstrategie orientieren. Die Gesamtstrategie wird dadurch in alle Bereiche und Einheiten der Universität ausstrahlen.

Im Jahr 2022 konnten wir neu einen Master in Präzisionstechnik anbieten, zusammen mit der Berner Fachhochschule. Die angehenden Ingenieurinnen und Ingenieure lernen in einem neuartigen Creative Engineering Lab selbstständig Projekte umzusetzen. In diesem Jahr haben auch die ersten 24 Studierenden unseren Masterstudiengang in Pharmazieabgeschlossen. Das hat 22 neue Apothekerinnen und Apotheker hervorgebracht, womit wir auch zur Entlastung der medizinischen Grundversorgung beitragen.

Weiter wurden die drei 2018 gestarteten interfakultären Forschungskooperationen (IFK) nach vierjähriger Laufzeit zum Abschluss gebracht: «One Health»,«Religious Conflicts and Coping Strategies» sowie «Decoding Sleep». Die IFK «One Health» verband das Thema Nachhaltigkeit mit Gesundheit und Medizin und untersuchte, wie Umweltchemikalien Pflanzen, Tiere und Menschen beeinflussen. Dazu forschten Gruppen aus den Naturwissenschaften, der Vetsuisse und der Medizin gemeinsam. Bei der IFK «Religious Conflicts and Coping Strategies» haben sich Forschende der Theologischen, der Rechtswissenschaftlichen, der Philosophisch-historischen, der Philosophisch-naturwissenschaftlichen, der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät sowie des Interdisziplinären Zentrums für Geschlechterforschung an der Universität Bern zusammengetan, um ein Modell zur religiösen Dimension von Konflikten zu entwickeln. «Decoding Sleep»schlussendlich hat 13 Forschungsgruppen der Philosophisch-naturwissenschaftlichen, der Medizinischen und der Philosophisch-humanwissenschaftlichen Fakultät und somit die Bereiche Medizin, Psychologie, Psychiatrie und Informatik zusammengebracht. Mehr Wissen über die komplexen Mechanismen von Schlaf und Kognition sowie neue Ansätze für die individuelle Therapie von Schlafstörungen konnten so entwickelt werden.

Neben der Lehre und Forschung kamen auch die hochrangigen Feiern im Jahr 2022 nicht zu kurz. So konnten die Zahnmedizinischen Kliniken (ZMK), welche zu den besten zehn weltweit gehören, ihr 100-jähriges Bestehen feiern. Auch das Astronomische Institut der Universität Bern (AIUB) zelebriert sein 100-Jahr- Jubiläum sowie 200 Jahre «Alte Sternwarte Bern». Das Kompetenzzentrum für Public Management (KPM) feierte sein 20-Jahr-Jubiläum. Und auch die Universität Bern als Ganzes hatte einen Grund zum Feiern: Sie gehört gemäss THE World University Ranking seit 2022 erstmals zu den besten 100 Universitäten der Welt. Gefestet wurde auch an der vierten Nacht der Forschung, mit über 10 000 interessierten Besuchenden. Und am Ende des Jahreskonnten wir zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder einen richtigen Dies academicus veranstalten.

Kurz gesagt

«Das Ausscheiden aus Horizon Europe beschäftigt uns leider nach wie vor und die Ersatzmassnahmen alleine können die verlorene Beteiligung am weltweit grössten Forschungsnetzwerk nicht aufwiegen.»




Prof. Dr. Christian Leumann, Rektor

Weiter hat uns leider nach wie vor das Ausscheiden aus Horizon Europe beschäftigt. Trotz grossem Engagement der Schweizer und britischen Wissenschaftsgemeinschaft, welche mit der Kampagne «Stick-to-Science» die europäischen Forschungskolleginnen und Forschungskollegen überzeugen konnte, dass der Ausschluss der Schweiz und Grossbritanniens für alle Seiten negativ ist, konnten wir die Politik noch immer nicht zum Handeln bewegen. Zwar spricht das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI zusammen mit dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF) Ersatzmassnahmen, jedoch kann dies alleine die verlorene Beteiligung am weltweit grössten Forschungsnetzwerk nicht aufwiegen. Um dem punktuell entgegenzuwirken, haben wir uns der europäischen Forschungsallianz ENLIGHT angeschlossen. Damit schaffen wir bessere Austauschmöglichkeiten für Studierende und Forschende mit neun forschungsintensiven europäischen Universitäten.

Seit Neuestem beschäftigt uns auch die Unterfinanzierung durch den Kanton. Unser jährliches Budget wächst gemäss Finanzplanung pro Jahr zwar um 1 Prozent. Gleichzeitig müssen wir aber zum Beispiel jährlich ca. 2 Prozent Lohnmassnahmen tragen, was längerfristig zu einem strukturellen Defizit auf den Grundmitteln führen wird. So ist unsere Bilanz nun zum zweiten Mal hintereinander negativ ausgefallen. Damit wir weiterhin unseren Leistungsauftrag vollumfänglich erfüllen und zur Erreichung der strategischen Ziele der Kantonsregierung gemäss den Regierungsrichtlinien 2030 beitragen können, sind wir darauf angewiesen, dass der Finanzierungsschlüssel angepasst wird und wir dieses strukturelle Defizit beheben können.

Freude bereitet mir bei solch herausfordernden finanziellen Aussichten dann aber der Blick auf junges und innovatives Unternehmertum. Anfang 2022 hat die Universität Bern erstmals sogenannte «UniBE Venture Fellowships» vergeben, die vier unternehmerisch denkende Jungforschende und ihre vielversprechenden Innovationsprojekte fördern: Zwei dienen der Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen, eines der Therapie von Lebererkrankungen und das vierte verbessert Psychotherapien in ihrer Wirksamkeit und Effizienz. Die mit je 100 000 Franken dotierten Fellowships werden gemeinschaftlich finanziert durch das Innovation Office, das ARTORG Center for Biomedical Engineering Research sowie das Inselspital, Universitätsspital Bern. Sie ermöglichen es den vier Jungforscherinnen und Jungforschern, während eines Jahres ihretranslationale Forschung weiterzuführen, um die technische Machbarkeit ihrer Projekte zu prüfen (Proof of Concept) und die Vermarktung entsprechend vorzubereiten. Das Innovation Office der Universität Bern unterstützt sie dabei mit Beratung, Mentoring und Vernetzung, in Kooperation mit beadvanced, der Start-up-Coaching-Plattform des Kantons Bern.

An der Universität Bern wird Wissen generiert, weitergegeben und in konkreten Projekten für die Menschen nutzbar gemacht, getreu unserem Motto «Wissen schafft Wert». Die Gesellschaft entwickelt sich weiter und neues Wissen, beispielsweise im Bereich Digitalisierung, wird essenziell, um aktiv an der Gestaltung unseres Zusammenlebens in einem demokratischen Europa mitzuwirken. Das Jahr 2022 hat gezeigt, wie notwendig dies bleibt.

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